Verfassungsgericht: Auch ein mutmaßlicher Angestellter verdient Schutz

12. 9. 2017

In seinem Befund Az. I. ÚS 615/17 hat sich das Verfassungsgericht unlängst mit dem Fall des einem Arbeitsuchenden entstandenen Schadenersatzes befasst. Der Bewerber ist aufgrund eines vom Arbeitsamt veröffentlichten Angebots in der Arbeitsstätte des potentiellen Arbeitgebers eingetroffen. Dort wurde ihm von einem der Mitarbeiter ohne jeglichen Vertrag und ohne ordentliche Belehrung über Arbeitsschutz eine Arbeitsaufgabe „auf Probe“ aufgegeben. Sollte er sich als tüchtig beweisen, würde der Arbeitgeber mit ihm den Arbeitsvertrag schließen, ansonsten würde ihm für die abgearbeitete Zeit nur eine Belohnung auf Basis eines Werkvertrags geleistet, der erst nach Beendigung der aufgegebenen Arbeit abgeschlossen wäre. Zu einer unglücklichen Wende kam es in dem Augenblick, als sich der Arbeitsbewerber vier Finger an rechter Hand amputierte, was zu gesundheitlichen Dauerfolgen führte.

Den Ersatz des Schadens sowie des entgangenen Lohns hat der Bewerber jedoch von dem mutmaßlichen Arbeitgeber ergebnislos eigenfordert. Gerichte wiesen besonders auf die Tatsache hin, dass dem Bewerber keine arbeitsrechtliche Beziehung entstanden ist. Nach erfolgloser Berufung sowie Revision wandte sich der Bewerber an das Verfassungsgericht, das befand, dass in sein Recht auf einen gerechten Prozess eingegriffen wurde und hob die angegriffenen Urteile auf. In erster Reihe fand es Verfehlung in der Begründung der Abwesenheit einer arbeitsrechtlichen Beziehung, und das obzwar nur eines sog. faktischen Arbeitsverhältnisses (Arbeitsausübung ohne Vertrag). 

Auch wenn jedoch die allgemeinen Gerichte ordnungsgemäß zu dem Beschluss kämen, dass in der gegebenen Sache tatsächlich keine arbeitsrechtliche Beziehung existent war, haben sie nicht die Tatsache berücksichtigt, dass sich der Bewerber in Beziehung zum Arbeitgeber in Position der schwächeren Partei befand. Das gilt umso eher, falls der Bewerber keinen Angestelltenstatus hatte und somit nicht dem Schutz u.a. des Arbeitsgesetzbuches unterstand. Die allgemeinen Gerichte sollten dann die Situation aus Sicht der allgemeinen Regelung der Verantwortlichkeit nach dem Bürgergesetzbuch beurteilen, wobei sie zur Kenntnis nehmen würden, dass der Bewerber sich in Position der schwächeren Partei befand. Neben der Tatsache, dass die Frage der Existenz einer arbeitsrechtlichen Beziehung ziemlich weitläufig ausgelegt wird, folgt daraus für den Arbeitgeber die Belehrung, dass auch ein Bewerber oder eine andere Person, bei der es Zweifel über das Bestehen einer arbeitsrechtlichen Beziehung gibt, den Schutz der schwächeren Partei genießt und so einen höheren Standard des Schutzes fordern kann.

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