Das Oberste Gericht der Tschechischen Republik vertrat bislang die Auffassung, dass ein Mitglied eines Statutarorgans eine dem Statutarorgan obliegende Tätigkeit nicht in einem Arbeitsverhältnis ausüben darf, da es sich bei dieser Tätigkeit um keine Art von Arbeit handelt. Ein damit verbundener Arbeitsvertrag wäre in einem solchen Fall ungültig. Es ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass eine Person in der Funktion des Statutarorgans gleichzeitig für dieselbe Gesellschaft in einem Arbeitsverhältnis eine andere Tätigkeit ausübt, die sich von der durch das Statutarorgan ausgeübten Tätigkeit unterscheidet.
Nach Auffassung des Verfassungsgerichts (ausgedrückt im Urteil unter Az. I ÚS 190/15 vom 13.09.2016) besteht kein Grund, warum ein Mitglied eines Statutarorgans seine Tätigkeit oder einen Teil davon nicht auf Grundlage eines nach dem Arbeitsgesetzbuch geregelten Vertrages ausüben könnte. Sollten die allgemeinen Gerichte auf ihrer bisherigen Rechtsauffassung bestehen wollen, müssen sie diese überzeugend und hinreichend begründen, um die Vorhersehbarkeit des Rechts sicherzustellen.
Das Verfassungsgericht verweist vor allem auf den Grundsatz der Autonomie des Willens der Vertragsparteien, das Prinzip pacta sunt servanda (Verträge sind einzuhalten) und die Priorität der Auslegung des Rechtsgeschäfts, welche seine Gültigkeit und nicht Ungültigkeit begründet, dies alles im Einklang mit dem rechtsstaatlichen Grundsatz, dass jeder alles tun darf , was nicht gesetzlich verboten ist. Und jeder eventuelle Eingriff in dieses Recht muss angemessen und begründet sein.
Das Verfassungsgericht stellte sich damit auf die Seite des Beschwerdeführers und wich von der erwähnten ständigen Rechtssprechung des Obersten Gerichts der Tschechischen Republik ab, als es im vorliegenden Fall zu dem Schluss kam, dass das Recht auf einen fairen Prozess, die ordnungsgemäße Begründung einer Entscheidung oder der Grundsatz pacta sunt servanda verletzt worden sind. Das Verfassungsgericht leitete seine Schlussfolgerung auch aus der Tatsache ab, dass das Verbot des Parallellaufs von Funktionen nicht ausdrücklich durch ein Gesetz verboten ist, sondern erst judikatorisch durch allgemeine Gerichte formuliert wird.
Das Verfassungsgericht kann mit seinem Urteil eine grundlegende Kehrtwende in der Frage der Möglichkeit des Parallellaufs der Funktion eines Statutarorgans einer Körperschaft und einer Beschäftigung in dieser Körperschaft herbeiführen. Momentan ist nicht absehbar, ob auch die allgemeinen Gerichte, bei denen die Frage des Parallellaufs im Fall von Klagen letztendlich verhandelt wird, diese Auffassung übernehmen (bzw. in welchem Maße sie den Parallellauf zulassen). Das Verfassungsgericht hat sich nämlich in diesem Zusammenhang nicht dazu geäußert, ob das Arbeitsrecht in irgendeiner Hinsicht im Widerspruch zu den Grundsätzen des Gesellschaftsrechts steht – z. B. in der Frage der Haftung der Mitglieder von Organen oder Arbeitnehmern.