Betreiben Sie eine Plattform? Ist derer Nutzung nach der Registrierung des Nutzers kostenlos? Dürfen Sie die gesammelten Nutzerdaten für kommerzielle Zwecke nutzen? Wenn Ihre Antwort immer "Ja" lautet, dann sollten Sie aufpassen. Die italienischen Steuerbehörden haben nämlich in einem solchen Fall einer Plattform die Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt.
Die italienische Steuerverwaltung hat einen Anbieter einer Plattform unter die Lupe genommen, der seinen registrierten Nutzern zwar die kostenlose Nutzung der Plattform anbietet, bei dem sich der Nutzer aber für die kostenlose Registrierung gemäß den allgemeinen Geschäftsbedingungen mit der kommerziellen Nutzung der von ihm angegebenen personenbezogenen Daten einverstanden erklären muss.
Die Steuerbehörde leitete daher ein Verfahren gegen den Betreiber ein und kam zu dem Schluss, dass die Dienstleistungen nicht unentgeltlich, sondern gegen Entgelt erbracht wurden und stellte der Plattform für den Steuerzeitraum 2015-2021 Umsatzsteuer in Rechnung. Der auf dieser Weise erhobene Umsatzsteuerbetrag ist über einen Zeitraum von sieben Jahren auf 870 Mio. EUR gestiegen.
Diese Schlussfolgerung der italienischen Steuerverwaltung deckt sich jedoch nicht mit der Meinung des Europäischen Mehrwertsteuer-Beratungsausschusses, der in seiner Empfehlung https://www.vatupdate.com/wp-content/uploads/2022/05/WP-961-Minutes-111th-VATCOM-meeting-30-11-2018.pdf Folgendes berichtet:
1) Die Gestattung der Nutzung personenbezogener Daten durch private Nutzer an IT-Dienstleister würde eher in den Bereich der Privatsphärenverwaltung dieser Nutzer fallen. In einem solchen Fall ist davon auszugehen, dass die privaten Nutzer nicht bewusst mit dem Ziel handeln, wirtschaftlichen Gewinn zu erzielen und eine wirtschaftliche Tätigkeit auszuüben, sondern dass sie lediglich bestimmte IT-Dienste nutzen wollen, auf die sie ohne Zustimmung zu den Geschäftsbedingungen der Anbieter nicht zugreifen können.
2) Die Erbringung von IT-Dienstleistungen durch einen IT-Anbieter ohne Entgelt ist keine steuerbare Leistung, weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Leistung an einen bestimmten Kunden und den von diesem Kunden erhaltenen Nutzerdaten nicht nachgewiesen werden kann. Denn die personenbezogenen Daten, für die der Anbieter die Nutzung einer IT-Dienstleistung erbringt, von Nutzer zu Nutzer quantitativ und qualitativ sehr unterschiedlich sein können.
3) Stellt die beschriebene Erbringung von IT-Dienstleistungen eine steuerpflichtige Leistung dar, wäre die Steuerbemessungsgrundlage die Höhe der Kosten, die dem Anbieter für die Erbringung der IT-Dienstleistung an einen bestimmten Kunden entstehen.
Rechtlich gesehen ist der Europäische USt.-Beratungsausschuss jedoch nur ein beratendes Gremium und steht völlig außerhalb des Gesetzgebungsverfahrens. Sie hat daher keine Gesetzgebungsbefugnisse und kann keine rechtsverbindlichen Auslegungen der Anwendung der USt. Richtlinie vornehmen. Die Leitlinien des Europäischen USt.-Beratungsausschusses sind weder für die Europäische Kommission noch für die Mitgliedstaaten bindend. Daher empfiehlt es sich, eine Überprüfung der allgemeinen Geschäftsbedingungen für Plattformen zu machen, die ihre Dienste in der ganzen Europäischen Union und nicht nur in Italien anbieten.