In dem vorliegenden Urteil ging es um eine Nachforderung von Mehrwertsteuer im Zusammenhang mit einer betrügerischen Handelskette mit Pistazien, wobei sich der Steuerpflichtige nicht ausreichend gegen die Beteiligung an dieser Kette abgesichert hatte. Im Steuerverfahren gab es einen Streit über die Einhaltung der dreijährigen Frist für die Festsetzung der Steuer. Der Steuerpflichtige bestand darauf, dass die Prüfung durch eine E-Mail-Kommunikation eingeleitet worden sei, in der der Steuerverwalter bestimmte Unterlagen angefordert und eine anschließende Prüfung angekündigt habe. Der Steuerverwalter war damit nicht einverstanden und machte geltend, dass die Prüfung erst mit ihrer „offiziellen“ Einleitung begonnen habe.
Der Fall gelangte vor das Landesgericht, das zugunsten des Steuerpflichtigen entschied, d. h., dass die Frist für die Festsetzung der Steuer bereits mit dem Versand der E-Mail begonnen habe und somit überschritten sei. Der Steuerverwalter war mit der Entscheidung des Gerichts nicht einverstanden und wandte sich an den Obersten Verwaltungsgerichtshof. Im vorliegenden Fall war somit die Frage entscheidend, ob die E-Mail, die der Steuerverwalter an den Steuerpflichtigen gesandt hatte, die Steuerprüfung einleitete. Das Oberlandesgericht kam zu dem Schluss, dass der Steuerverwalter über ausreichende Informationen verfügte, um die Transaktionen des Unternehmens zu prüfen, und dass diese Absicht bereits in der E-Mail ausreichend zum Ausdruck gekommen war. Das NSS stimmte jedoch nicht mit der Schlussfolgerung des Landgerichts überein, dass die E-Mail des Finanzamts nicht zur materiellen Einleitung einer Steuerprüfung geführt habe. Eine solche Prüfung im materiellen Sinne ist nach Ansicht des NSS nicht die bloße Sammlung von Informationen. Wenn der Steuerbeamte lediglich das Terrain „vermisst“ – d. h. vorläufige Informationen recherchiert und beschafft, diese jedoch nur im Hinblick auf seine weitere Vorgehensweise und nicht in Bezug auf eine konkrete Steuerpflicht bewertet –, führt er nach Ansicht des NSS eine Recherche durch und keine „verdeckte“ Steuerprüfung. Eine Unterscheidung zwischen Recherche und „verdeckter“ Steuerprüfung kann nur auf der Grundlage einer Gesamtbewertung der konkreten Handlungen getroffen werden.
Im vorliegenden Fall konnte die E-Mail, in der der Steuerverwalter an den vereinbarten Termin für ein persönliches Gespräch über die Einleitung einer Steuerprüfung erinnerte und gleichzeitig den Umfang der erforderlichen Unterlagen mitteilte, nicht als materielle Einleitung einer Steuerprüfung angesehen werden. Entscheidend war dabei laut NSS auch, dass der Steuerverwalter keine Antwort auf seine E-Mail erwartete und den Steuerpflichtigen nicht zur E-Mail-Kommunikation aufforderte. Aus der E-Mail geht vielmehr hervor, dass ihr Zweck überhaupt nicht darin bestand, die Prüfung direkt einzuleiten, sondern daran zu erinnern, wann die Prüfung beginnen würde.