Unangemessene Höhe des vertraglichen Verzugs-zinses und ihr Widerspruch zur Verfassungsord-nung

18. 9. 2019

Beim Anspruch auf Verzugszinszahlung ist jedoch zu entscheiden zwischen dem sog. gesetzlichen Verzugszins – entspricht jährlich der Höhe des Repo-Satzes, der von der Tschechischen Zentralbank für den ersten Tag des Kalenderhalbjahres bestimmt wird, in dem der Verzug eingetreten ist, erhöht um 8 Prozentpunkte – und dem vertraglichen Verzugszins – entspricht der gemeinsamen Vereinbarung der Vertragsparteien und kann nicht nur als Prozentsatz aus dem geschuldeten Betrag, sondern auch als fester, von der Höhe des geschuldeten Betragsunabhängiger Geldbetrag bestimmt werden (die Art und Weise seiner Berechnung muss allerdings stets eindeutig und ausreichend bestimmt sein). Die gesetzliche Zinshöhe ist logischerweise durch das Gesetz bestimmt und muss nicht vereinbart werden. Beim vertraglichen Zins können in der Praxis zwei Situationen eintreten, in denen die vereinbarte Höhe des Verzugszinses unangemessen ist. Entweder ist die Höhe zu hoch oder im Gegenteil zu gering, was in der Zukunft zu Gerichtsstreitigkeiten führen kann.

Die zuerst genannte Situation ist im Gesetz ausdrücklich geregelt, der Gläubiger kann bei Gericht die Unwirksamkeit der Vereinbarung über den Verzugszins begehren. Ist der vereinbarte Verzugszins zu gering oder vollkommen ausgeschlossen und für den Gläubiger nachteilig und potentiell „ungerecht“, erklärt das Gericht eine solche Vereinbarung für unwirksam und ersetzt sie entweder durch den gesetzlichen Verzugszins oder nutzt im Interesse einer gerechten Lösung sein Moderationsrecht und bestimmt eine andere Höhe.

Komplizierter ist die nachstehend dargelegte Situation, die das Gesetz nicht ausdrücklich regelt, wenn die Höhe des vereinbarten Verzugszinses zu hoch ist. Auch wenn der Verzugszins eine gesetzliche Geldstrafe bei Verzug des Schuldners ist, wird hierdurch häufig das Recht missbraucht, gegen die guten Sitten verstoßen und es kann in einigen Fällen sogar zu offensichtlichen Unrechtmäßigkeiten und Verstößen gegen die Rechtsstaatsprinzipien (Verfassungsordnung) kommen. Er kann nämlich auch in Kombination mit einer Vertragsstrafe genutzt werden.

Die Angemessenheit der Höhe des vertraglichen Verzugszinses wird stets unter Berücksichtigung der konkreten Fallumstände beurteilt. Als solche behandeln die tschechischen Gerichte insbesondere die Gründe, die zur Vereinbarung der konkreten Höhe der Verzugszinsen geführt haben, die Stellung der Vertragsparteien (Unternehmer – Unternehmer; Unternehmer – Verbraucher), die die Vereinbarung begleitenden Umstände, die Proportionalität der im Vertrag zu Lasten der einzelnen Parteien vereinbarten Strafen, die Gründe für die Nichterfüllung der gesicherten Pflicht, bzw. auch die Auswirkungen der Zuerkennung des vereinbarten Verzugszinses auf die Person, gegenüber der er geltend gemacht wird.

Wird aufgrund der vorstehend genannten Beurteilung zum Schluss gelangt, dass die vereinbarte Höhe unangemessen ist, kommen in Abhängigkeit von ihrem Ausmaß gleich mehrere anwendbare Rechtsinstitute in Betracht, z. B. die Scheinbarkeit des Rechtsgeschäfts, die relative oder absolute Ungültigkeit oder Unwirksamkeit der Vereinbarung mit analoger Lösung wie im Falle einer zu geringen Höhe des Verzugszinses. Die Bestimmung der Lösungsform ist in der Gerichtspraxis bislang noch nicht ganz geklärt, die Fachöffentlichkeit verbindet hiermit allerdings die Geltendmachung des Moderationsrechts des Gerichts, wie dies bei einer unangemessen hohen Vertragsstrafe der Fall ist. Diesen Schluss bestätigt auch das nachstehend angeführte Urteil des Verfassungsgerichts.

Selbst in der Entscheidungspraxis der obersten Gerichte konnten bislang noch keine festen Grenzen für die Angemessenheit bestimmt werden, obgleich der Oberste Gerichtshof versucht hat, eine Grenze beim Zins von 0,5 % des geschuldeten Betrages für jeden Verzugstag zu finden, wobei er bereits einen Satz von 1 % täglich des geschuldeten Betrages für grundsätzlich unangemessen befunden hat, da er gegen die guten Sitten und die allgemein anerkannten Regeln des Anstands und redlichen Handelns verstoße. Der Oberste Gerichtshof betont allerdings kontinuierlich die konkreten Umstände eines jeden Falls und lehnt die Setzung einer bestimmten festen Grenze ab. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts gehe die Tendenz eher zu einer pauschalen Zinssatzgrenze bei 0,5 % täglich des geschuldeten Betrages. Das Verfassungsgericht ist bereits in der Vergangenheit zum Schluss gelangt, dass eine Vereinbarung von Verzugszinsen, die von den Grenzen der Angemessenheit vollkommen abweicht, verfassungswidrig sei. Durch eine Gerichtsentscheidung könne so nach seiner Auffassung nicht das Recht auf Zahlung solcher Verzugszinsen zuerkannt werden, da die Verfassungsordnung dies untersage.

Aus diesem Grund kann die Vereinbarung einer unangemessenen Höhe des Verzugszinses auch die Zwangsvollstreckung beeinflussen. In einem unlängst ergangenen Urteil des Verfassungsgerichts wurde festgestellt, dass die Vereinbarung von Verzugszinsen in vollkommen unangemessener Höhe ein derart schwerwiegender Umstand sei, dass die allgemeinen Gerichte ihn im Rahmen der Zwangsvollstreckung als grundsätzlichen Mangel des Vollstreckungstitels zu überprüfen haben. Somit wurde eine weitere von einigen wenigen Ausnahmen zugestanden, in denen die allgemeinen Gerichte verpflichtet sind, den in der gefestigten Rechtsprechung des Verfassungsgerichts deklarierten Grundsatz zu durchbrechen, dass sich Einwände gegen Mängel des Erkenntnisverfahrens (bzw. der Entscheidung als sein Ergebnis) grundsätzlich nicht in das Vollstreckungsverfahren übertragen lassen. Folglich haben die allgemeinen Gerichte im Vollstreckungsverfahren dem Verpflichteten und seinem Vermögen gerichtlichen Schutz zu gewähren, indem sie eine solche Höhe der Verzugszinsen bestimmen, die noch als angemessen und verfassungskonform behandelt werden kann, und sie die Zwangsvollstreckung zum die unangemessene Höhe der Zinsen betreffenden Teil einstellen und so ein gerechtes Gleichgewicht beim Schutz der Vermögenssphäre des Schuldners und Gläubigers sicherstellen.

Obgleich jede Transaktion individuell ist und ihr auch die individuelle Vertragsdokumentation entspricht, ist bei der Vereinbarung der vertraglichen Verzugszinsen, aber auch z. B. der Vertragstrafen besondere Vorschrift geboten und so sollte der Vertrag idealerweise vor dessen eigentlichem Abschluss von einem Experten geprüft werden. Sie vermeiden so langwierige Gerichtsverfahren, bei dem der in unangemessener Höhe vereinbarte Verzugszins auch das anschließende Vollstreckungsverfahren und die Zuerkennung seiner Kosten beeinflussen könnte.

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