Der EuGH hat in Bezug auf das deutsche Arbeitsrecht, jedoch mit Auswirkungen auf die Rechtslage in allen EU-Ländern, entschieden, dass ein Urlaubsanspruch nicht verjährt, wenn der Arbeitgeber seine (zuvor vom EuGH festgelegten) Obliegenheit verletzt hat, seinen Arbeitnehmern im Voraus auf die Gefahr der Verjährung ihres Urlaubsanspruchs hinzuweisen. In der Praxis hat der EuGH damit der Klage eines Arbeitnehmers stattgegeben, der die Abgeltung von ab 1996 entstandenen Urlaubsansprüchen begehrte (EuGH, Urt. v. 22.09.2022, Az. C-120/21).
Während in Deutschland nun über eine mögliche Klagewelle spekuliert wird, scheint die Situation in der Tschechischen Republik klarer zu sein:
Werden Urlaubsansprüche nicht bis zum Ende des Jahres, das auf das Jahr folgt, in dem der Anspruch entstanden ist, ausgeschöpft, erlöschen diese nicht, noch beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. Der Arbeitgeber muss aber mit einer Strafe des Arbeitsamtes rechnen, weswegen der Arbeitgeber nicht nur über die nicht ausgeschöpften Ansprüche seiner Arbeitnehmer informiert sein, sondern vielmehr auch bisher nicht ausgeschöpften Urlaub proaktiv anordnen sollte. Außerdem hat der Arbeitnehmer ab dem 1. Juni des Jahres, das auf das Jahr der Entstehung des Urlaubsanspruchs folgt, auch das Recht, seinen Urlaub aufgrund einer Ankündigung von 14 Tagen im Voraus zu nehmen (d. h. ohne Zustimmung des Arbeitgebers die Inanspruchnahme des Urlaubs zu wählen).
Obwohl eine solche Regelung in der Tschechischen Republik nicht immer galt und beispielsweise nach der bis Ende 2011 geltenden Regelung der Anspruch auf Urlaub nach dem Ende des Folgejahres verfiel. In Fällen, in denen Arbeitnehmer ihre Urlaubsansprüche für die Jahre nach der alten Gesetzeslage geltend machen, werden diese nunmehr im Lichte der Rechtsauffassung des EuGHs zu beurteilen sein, bzw. es ist zu erwarten, dass auch die tschechischen Gerichte diese als nicht verfallen und nicht verjährt beurteilen werden, zumal der Urlaubsanspruch auf europäischer Ebene als "wesentlicher Grundsatz des Sozialrechts der Union zwingenden Charakter" hat. (EuGH, Urt. v. 06.11.2018, Az. C-684/16)
Die geltende tschechischen Regelung schützt jedoch bereits die Arbeitnehmerrechte, indem sie den Urlaubsanspruch als ein nicht vermögenswertes Recht behandelt, welches aus diesem Grund keiner Verjährung unterliegt. Da die Auszahlung des Ersatzes für nicht ausgeschöpften Urlaub immer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses zulässig ist, wird der finanzielle Anspruch des Arbeitnehmers auf Abgeltung des nicht genommenen Urlaubs erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällig und erst dann beginnt die Verjährungsfrist zu laufen. So hat der Arbeitnehmer das Recht, seine finanziellen Ansprüche auf Urlaubsgeld in einem Zeitraum von drei Jahren nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses geltend zu machen, unabhängig davon, in welchem Jahr sie entstanden sind. Eine Vereinbarung, in der sich der Arbeitnehmer verpflichtet, dieses Recht einzuschränken oder etwaige Urlaubsansprüche während der Dauer des Arbeitsverhältnisses verfallen zu lassen, wäre zum Schutz des Arbeitnehmers als der schwächeren Partei unwirksam.