Wir gehen davon aus, dass jeder, der schon einmal überlegt hat, seine Rechte vor Gericht geltend zu machen, sich diese Frage irgendwann gestellt hat. Die Antwort ist: Es kommt darauf an. Sich darauf zu verlassen - nein. Aber jeder kann sich gegen eine Entscheidung wehren, die er für eine rechtlich andere Beurteilung eines sachlich ähnlichen Falles hält, der bereits von (insbesondere) höheren Gerichten entschieden wurde. Das heißt, durch das Berufungsgericht und vor allem durch das Oberste Gericht oder das Oberste Verwaltungsgericht und das Verfassungsgericht.
Wie zwei kürzlich ergangene Entscheidungen des Verfassungsgerichts zeigen, sind die Geschädigten auch in Bagatellfällen (hier zu einer Entschädigungsforderung für eine Flugverspätung), gegen die kein Rechtsmittel zulässig ist, nicht schutzlos gestellt. Das Verfassungsgericht hob die Urteile auf, und zwar mit der ausführlichen Begründung, dass die Gerichte für die Einheitlichkeit und Rechtssicherheit der gerichtlichen Entscheidungen sorgen müssen. Andernfalls verstoßen sie sowohl gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Tschechischen Republik (insbesondere gegen Artikel 36 der Charta der Grundrechte und Freiheiten) als auch gegen die Europäischen Menschenrechtskonvention, deren Verletzung ein Anspruch auf Überprüfung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg begründet.
Darüber hinaus wies das Verfassungsgericht auf die leider oft übersehene Bestimmung des Artikels 13 des Bürgerlichen Gesetzbuches hin: "Wer Rechtsschutz sucht, darf vernünftigerweise erwarten, dass seine Rechtssache in ähnlicher Weise entschieden wird wie eine andere, bereits entschiedene Rechtssache, die mit seiner Rechtssache in ihren wesentlichen Zügen übereinstimmt; ist die Rechtssache anders entschieden worden, so hat der Rechtsschutzsuchende Anspruch auf eine überzeugende Darlegung des Grundes für diese Abweichung."
Dank der Betonung der Vorhersehbarkeit gerichtlicher Entscheidungen durch das Verfassungsgericht, die sich darin zeigt, dass es Verfassungsbeschwerden auch in Bagatellfällen nicht zurückweist, ist zu hoffen, dass die Zahl der Entscheidungen, gegen die man sich - mit Erfolg - mit der Begründung wehren muss, das Gericht habe bereits bestehende ähnliche Entscheidungen ignoriert, abnimmt.
Der Vollständigkeit halber führen wir auch die vom Verfassungsgerichtshof gesetzten Grenzen auf: Es geht nicht darum, eine Unveränderlichkeit der gerichtlichen Praxis einzuführen, wörtlich "rechtswissenschaftliche Starrheit", sondern um die Notwendigkeit einer gründlichen und ausführlichen Begründung, die die Abweichung in überzeugender und überprüfbarer Weise erklärt. Die Parteien sind nicht grundsätzlich verpflichtet, eine ähnliche Entscheidung vorzulegen, damit sich das Gericht mit der Begründung für die Abweichung von der darin zum Ausdruck gebrachten Rechtsauffassung befassen oder ihr folgen muss, aber wenn sie dies doch tun, kann das Gericht dieses frühere Urteil in der Argumentation niemals außer Acht lassen, auch nicht mit dem lakonischen Hinweis, dass es sich um einen anderen Sachverhalt handelt.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die menschenrechtlichen Verpflichtungen zum Rechtsschutz und zur Rechtssicherheit die Verpflichtung einschließen, die Entscheidungen sowohl der Verwaltungs- als auch der Zivil- (und gegebenenfalls der Straf-) Gerichte miteinander in Einklang zu bringen. Wenn man auf die Behauptung der Gegenseite stößt, dass wir in der Tschechischen Republik kein Präzedenzsystem haben, so dass die strittige Bestimmung beliebig ausgelegt werden kann, dann kann man mit Verweis auf § 13 des Zivilgesetzbuches antworten, dass das Gericht eben nicht willkürlich entscheiden darf.